
Nordische Rundfunkanstalten treffen sich in Reykjavík, um über Israels Beteiligung am ESC 2026 zu diskutieren. Ein Vertreter der EBU wird anwesend sein, um Stimmungen einzuschätzen.
Stefán Jón Hafstein, Vorsitzender des Rundfunkrats der isländischen Fernsehanstalt, hat beschlossen, das Schweigen zu brechen – und forderte öffentlich den sofortigen Ausschluss Israels vom Eurovision Song Contest. Der von ihm auf der Nachrichtenseite Vísir veröffentlichte Artikel löste eine heftige Debatte in Island und anderen nordischen Ländern aus und hallt nun auch in Israel wider.
Parallel dazu enthüllte Hafstein, dass sich in den kommenden Tagen die Leiter der Fernsehanstalten der nordischen Länder zu einer vertraulichen Sitzung in Reykjavík treffen werden, an der auch ein Vertreter der EBU teilnehmen soll. Dieser Delegierte soll die Stimmungslage unter den nordischen Ländern prüfen – doch offenbar haben viele bereits ihre Haltung festgelegt.
Sechs Gründe – eine klare Botschaft aus Reykjavík
In seinem Artikel listet Stefán Jón Hafstein sechs drastische Gründe für seine Forderung nach einem Ausschluss Israels auf. An erster Stelle steht der Bericht der UN‑Untersuchungskommission, der Israel Völkermord in Gaza vorwirft. „Seit Langem ist klar, dass Israels Regierung internationales Recht verletzt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht, Hunger als Waffe einsetzt und ein Massaker plant, das zum Tod Zehntausender Zivilisten führte.“
Als weiteren Grund nennt der Vorsitzende, dass über 200 internationale Organisationen – darunter das Rote Kreuz, Amnesty International und UN‑Gremien – Israels Politik verurteilt hätten. In Island schlossen sich hunderte Gewerkschaften unter dem Protestmotto „Nation gegen Völkermord“ zusammen, veranstalteten Demonstrationen und riefen zu wirtschaftlichen und kulturellen Boykotten auf, auch gegen den staatlichen Rundfunk. Nach seinen Angaben schloss sich der nordische Eurovision‑Fanverband diesem Aufruf an.
Doppelte Standards? „Warum Russland ausgeschlossen wurde, Israel aber nicht“
Hafstein zieht einen Vergleich zur Suspendierung Russlands nach dem Angriff auf die Ukraine: „Die EBU entschied, dass Russland die Krise ausgelöst und das Ansehen des Wettbewerbs geschädigt habe – genau das Gleiche hat Israels Regierung getan.“
Er wirft dem Rat „selektive Konsequenz“ und Diskriminierung vor. „Das ist eine milde Umschreibung für den Unsinn, mit dem man Israels Teilnahme rechtfertigt, aber nicht die Russlands.“ Zudem meint er, das Leid in Gaza sei nicht weniger schlimm als das in der Ukraine – in beiden Fällen seien die Regierungschefs „Komplizen eines Verbrechens“.
Schwere Vorwürfe: Propaganda, Manipulation und Zensur
Weiter behauptet Hafstein, Israels Regierung habe den Eurovision für Propagandazwecke genutzt und erheblich investiert, um die Abstimmungen zu beeinflussen. Laut ihm habe die Wettbewerbsleitung den Ton während der Live‑Sendung manipuliert, um Proteste in Echtzeit zu unterdrücken. Aus seiner Sicht sei die Teilnahme eines Staates, der Völkermord begehe, keineswegs unpolitisch und diene lediglich dazu, über Musik Legitimität zu erkaufen.
Hafstein betont, Israels Handeln widerspreche den Grundprinzipien der EBU – etwa Pressefreiheit und öffentlichem Auftrag. Er behauptet, Israel habe Journalisten, darunter auch Mitglieder der EBU‑Sendergemeinschaft, den Zugang verwehrt und Berichterstattung aus Gaza zensiert. Die gezielten Tötungen von Journalisten seien für ihn eine weitere rote Linie.
Aufruf zum Handeln – werden die Nordländer geeint auftreten?

Gegen Ende des Artikels erklärt Jón, die Hoffnung auf Frieden müsse durch Taten und nicht durch Worte gestützt werden. Er ruft die nordischen Länder auf, gemeinsam Stellung zu beziehen und „Jetzt ist Schluss“ zu sagen. Er zitiert zudem den Präsidenten Finnlands, der in seiner UN‑Rede dazu aufrief, die Zusammenarbeit mit Benjamin Netanjahu zu beenden und die Werte von Menschlichkeit und internationaler Kooperation zu wahren.
In der vertraulichen Sitzung in Island werden die Leiter der nordischen TV‑Sender gemeinsam mit einem EBU‑Vertreter die Lage erörtern. Trotz Hafsteins Bemühungen, Unterstützung für einen Israel‑Boykott zu gewinnen, kommen einige Staaten mit bereits gefestigten Positionen.
Die Generaldirektorin des schwedischen Senders SVT, Anne Lagercrantz, erklärte vor zwei Wochen, SVT sei eine unabhängige Institution, die keine Position für oder gegen die Teilnahme irgendeines Landes – einschließlich Israel – beziehe. „Wir sind hier für Musik und Kultur,“ bemerkte Lagercrantz. Sie stellte klar, dass die Situation anders sei als 2022 bei Russland, als die öffentlichen Sender Teil der staatlichen Propagandamaschine waren. Israels öffentliche Sender seien unabhängig und keine Instrumente der Regierung – ein indirekter Hinweis darauf, dass sie sich gegen einen Ausschluss Israels aussprechen könnte.
Auch in Dänemark betonte Gustav Lützhøft, leitender Redakteur des dänischen Senders DR: „Wir werden nicht für den Ausschluss eines EBU‑Mitglieds stimmen, solange es die Regeln einhält. Dänemarks Teilnahme am Eurovision hängt vom Bestehen einer starken internationalen Gemeinschaft und einem unpolitischen Rahmen ab, daher werden wir nicht für Israels Ausschluss stimmen.“
Zu Beginn des Septembers erklärte Norwegen, es werde den Wettbewerb nicht boykottieren, auch wenn Israel teilnimmt – eine Aussage, die viele Fans überraschte, da Norwegen in Israel als eines der kritischsten Länder im Wettbewerb gilt.
Nur Finnland könnte sich eventuell an Islands Haltung anschließen. Johanna Törn‑Mangs, Chefredakteurin der Kulturabteilung von YLE, erklärte im vergangenen Monat: „YLE ist eine unabhängige und neutrale Institution. Wir betreiben keine Staatspolitik. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass wir menschliches Leid durch Krieg akzeptieren.“ Die finnische Rundfunkanstalt hat bislang keine klare Position zu Israels Teilnahme festgelegt.
Israel beim Eurovision Song Contest 2025
“New Day Will Rise” war der Titel des Songs, der von Yuval Rafael vorgetragen wurde. Sie wurde nach ihrem Sieg in der 11. Staffel von HaKokhav HaBa ausgewählt, Israel beim Eurovision 2025 zu vertreten.
Israel erreichte nach einem souveränen Halbfinalsieg mit 203 Punkten das Finale und belegte dort mit 357 Punkten den zweiten Platz. Beim Televoting lag Israel auf Platz eins, während die Jury nur Platz 14 vergab. Damit schaffte es das Land zum dritten Mal in Folge unter die Top fünf – ein bisher unerreichter Erfolg.
Eurovision Song Contest 2026: Dies wird die 48. Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest sein. Israel trat 1973 dem Wettbewerb bei und hat im Laufe der Jahre viermal gewonnen. Der letzte Sieg Israels war beim Eurovision 2018 mit dem Lied “Toy”, das von der Sängerin Netta Barzilai aufgeführt wurde.

